Die Niederfrohnaer Kegler in Wien – Ein Reisebericht

Wie kam es, dass die Kegelmannschaft des Sportverein Niederfrohna an einem internationalen Kegelturnier in Wien teilnimmt?

Der Organisator, der Kultur- und Sportverein Wien (KSV Wien), lässt alle Anmeldungen von Kegelsportlern zu, sowohl aus dem Verein- und Ligabetrieb als auch aus dem Freizeitsport, aus dem österreichischen In- wie Ausland. Unserem Mannschaftsleiter Peter Lindner war die Veranstaltung vor etwa einem halben Jahr bekannt geworden. Sein Vorschlag für eine Teilnahme stieß bei den Niederfrohnaer Keglern auf Begeisterung. Schnell war eine Entscheidung gefallen, schnell ein Termin gefunden und schnell hatte man sich für das Turnier angemeldet. Natürlich war jedem klar, dass eine Teilnahme an einem Turnier in Wien nicht vergleichbar ist mit einem der üblichen Kegelwettkämpfe im Bezirk. Ein Tagesausflug würde das bei einer Anfahrtstrecke von mehr als 500 km nicht werden. Ein verlängertes Wochenende also würde es sein. Als Termin für die Turnierteilnahme wurde Freitag der 28.04.2023 gewählt, die Anreise am Donnerstag und die Rückreise am Sonntag. Eine 4-Tagestour, 3 Übernachtungen in Wien. Und damit ergab sich auch die Möglichkeit noch ein wenig von der Stadt zu sehen. 8 Mann aus der Sektion Kegeln vom SVN würden mitfahren und wir durften den SVN-Bus nutzen.

Am Donnerstagmorgen füllten sich alle 8 Plätze mit Keglern sowie der Kofferraum mit Reisetaschen, Koffern, Sporttaschen und Getränkekisten. Auf durchs Erzgebirge, runter ins Böhmische Becken, vorbei an Komotau, Prag und Brünn und dann rüber nach Österreich. Unser Fahrer Denny hat die Reise großartig gemeistert. Irgendwann sieht man die hügeligen Alpenausläufer, dann die Donau und dann diese Großstadtmetropole. Wien ist eine wirklich große Stadt – dicht, belebt, laut und für jemanden vom Dorf bisweilen chaotisch. Unser Weg zum Hotel führte uns bis in den 1. Bezirk, der Wiener Innenstadt, und war gespickt mit Einbahnstraßen, Fußgängerzonen, kreuzenden Straßenbahnen und umherwuselnden Passanten. Das Ziel war erst beim zweiten Versuch gefunden. Anmelden im Hotel, Koffer ausladen, Bus in die Tiefgarage bringen und dann erstmal verschnaufen. So viele Menschen, die in dieser Stadt kreuz und quer umherwuseln: Businessschnösel in schicken Anzügen, Touristengruppen mit Umhängetaschen und gesenkten Blicken auf ihre Telefone, Szenetypen auf dem Weg in die Kneipen, Paare in schicker Abendgarderobe, vermutlich auf dem Weg in die Oper, Modetypen, die in ihren schicken Sneakern und Hochwasserhosen irgendeinem Trend nachjagen, eine Gruppe Kerle mit Sporttaschen und grünen Vereinsjacken, die sich nach einer langen Anreise erstmal ein Bier mitten auf dem Platz in der Nachmittagssonne gönnt (Ja, das waren wir).

Unser Hotel lag etwa zwischen Stephansplatz und Donaukanal, neben dem sogenannten Bermudadreieck, einem Lokalviertel mit Bars, Kneipen und Gaststätten. Viel war an unserem Anreisetag nicht mehr zu tun, nur noch Schnitzel essen „Beim Czaak“. Übrigens – man kann, in der Absicht, in Wien einen Kaffee zu ordern, bedenkenlos „einen Verlängerten“ bestellen. Dieser ist gleichbedeutend mit der Tasse normalem schwarzen Kaffees, die man außerhalb der Wiener Kaffeehauskultur bestellen würde. Wem eine solche Bestellung jedoch ein wenig „befremdlich“ anmutet, der weicht einfach auf einen doppelten Espresso aus.

Einige aus unserer Gruppe hatte sich danach noch für einen Spaziergang durch das nächtliche Wien entschieden. Die Stadt ist auch an einem Wochentag zu später Stunde noch äußerst belebt. Die Gebäude mit ihrer Beleuchtung und die Denkmäler in ihrer Bestrahlung wirken noch eine Spur imposanter und schöner. Unser Weg führte uns über den Stephansplatz mit dem gewaltigen Dom, dann die Kärntner Straße, eine der großen Ladenstraße, entlang bis zur Staatsoper. Danach entschieden wir, auf die Ringstraße abzubiegen, jenem breiten Straßenzug, der beinahe komplett den 1. Bezirk umschließt. Hier, direkt am Burggarten, gab es eine der typischen Würstelbuden, die auch spät noch auf einen Mitternachtsimbiss und ein kühles Getränk einladen. Man beobachtet Clubgänger, die in Schlangen an Eingängen stehen, die uns im ersten Moment wie die Zugänge zur U-Bahn vorkamen, in Wirklichkeit aber in die unterirdischen Clubs führen, „O – der Klub“ oder „Babenberger Passage“. Junge Wiener in Feierlaune begrüßten sich herzlich. Immer mehr Leute strömten zu einer Gruppe, um hier einen Geburtstag zu feiern. Zu junge Mädchen in zu kurzen Röckchen drängten in den Club, wurden aber abgewiesen. Sie sprachen uns an, stellten Fragen, ohne wirklich auf eine Antwort zu warten, waren in kindlicher Aufregung, dass es fast unhöflich wirkte. Ob wir von hier sind? – Nein!; Ob wir dann noch in den Club gehen? – Nein!; Ob sie ein Interview für ihren Instagramkanal mit uns machen dürfen? – Nein! Die Mädchen hatten schnell wieder das Interesse verloren.

Wir entschieden, den Rückweg anzutreten, bogen am Heldenplatz ein, streiften durch die Hofburg bis zum Graben mit der Pestsäule. Dass die edlen Konditoreien, die Juweliere und Uhrengeschäfte und die Luxus-Modeläden geschlossen haben, stört uns nicht. Die Schaufenster sehen hübsch aus und die Preise sind eh zu teuer. Der Graben ist nämlich die Wiener Flaniermeile. Einige Läden schmücken sich mit ihrer Historie als ehemals kaiserlicher und königlicher Hoflieferant.

Der Freitag war der Tag unseres Kegelturniers. Da dieses aber erst am Nachmittag begann, hatten wir noch Zeit für eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten in der Wiener Innenstadt, dem Stephansdom. Wir entschieden, den Südturm zu besteigen und wurden in 67 Metern über der Stadt mit einer phänomenalen Aussicht belohnt. Die Ausmaße, über die sich diese dichte städtische Bebauung erstreckt sind, sind beeindruckend. An mehreren Stellen durchbrechen Hochhäuser, Türme oder Kuppeln die übliche Bebauung. Ein Hochhausviertel wie in Frankfurt gibt es nicht. In alle Richtungen hat man Fixpunkte: die Alpenausläufer im Westen, die UNO-Zentrale im Norden, Industrie und Kraftwerk in Simmering im Osten, die Hochhäuser von Favoriten im Süden und relativ nah das Praterriesenrad. Nach dieser zweifellos lohnenden Turmbesteigung waren wir allerdings nicht mehr so sicher, ob die 343 Stufen die richtige Vorbereitung für unser Kegelturnier waren. Am Nachmittag machten sich 8 Kegler mit der Straßenbahn vom Schwedenplatz aus auf in den Prater. 8 Mann in leuchtend grünen Sportjacken mit grünen Taschen fallen auf, sogar in Wien. Und man hörte ab und zu hinter sich: „Aha. So geht sächsisch!“ Der Prater ist ein großflächiges Ausflugs- und Erholungsgebiet im 2. Bezirk „Leopoldstadt“ mit Parks, Grünflächen, Sportanlagen und dem bekannten Vergnügungspark, dem Volksprater. Die Sportanlage des KSV Wien liegt in Sichtweite des Praterriesenrads. Der offizielle Name der Veranstaltung ist „8. Internationales Wiener Frühlingsturnier im Prater“ und der Austragungszeitraum erstreckt sich vom 06. April bis 20. Mai 2023.

Austragungsort war das „Sport- und Seminarzentrum im Prater“, einer großen Sportstätte mit Fussballplätzen, Tennisplätzen, Seminarräumen und einer 4-Bahn-Kegelanlage. Der KSV Wien ist ein großer Verein mit einer Sektion im Kegelsport, die 6 Mannschaften stellen kann. Aber auch ein Verein dieser Größe hat mit Mitgliederrückgang und dem schwindenden Interesse am Kegelsport zu kämpfen. Einer der Seniorenkegler erzählte von Tagen, in denen der Verein mehr als 100 aktive Kegler hatte und man 11 Mannschaften stellen konnte. Die Begrüßung durch die Gastgeber war sehr herzlich und der Umgang miteinander sehr angenehm und freundlich. Frauen und Männer konnten gleichermaßen am Turnier teilnehmen. An diesem Tag machten 4 Spieler vom KSV Wien den Anfang. Unsere beiden ersten Spieler waren für den 2. Durchgang, etwa gegen 16 Uhr, gesetzt. Uns blieb noch genügend Zeit, uns vorzubereiten und ein wenig dem Spiel der Gastgeber zuzuschauen. Von den Wiener Spielern wurden bevorzugt straffe Kugeln gespielt, was nicht verwunderte, denn wir hatten eine stark präparierte Bahn erwartet. Die Bahnen waren aber so glatt, der Vierpass so poliert und die Kegel so geschmiert, wie wir es bisher noch nicht gesehen hatten. Mit einer ordentlichen Kugel in eine der Gassen fiel fast immer ein 8 oder 9. Aber auch, wenn die Gasse verfehlt wurde oder eine harte Spitze angespielt wurde, war das Ergebnis häufig etwa 2 Holz je Wurf höher als man es von unserer Bahn her gewohnt ist. Die gefallenen Kegel rutschten nach dem Einschlag noch so lange und unkontrolliert auf dem Vierpass hin und her und rissen noch mehrere andere Kegel um, dass es uns fast schon unnatürlich vorkam. Die Spielweise der jüngeren Wiener Spieler war uns bisher völlig ungeläufig. Beim Anlauf wurde mit dem Arm weit nach hinten ausgeholt, dabei aber eine Art schleudernde Handbewegung vollführt. Hinzu kam, dass anscheinend kaum über die Mitte des Auflagebereichs gespielt wurde. Laut Lehrbuch sollte die Kugel beim Wurf immer möglichst weit vorn und genau in der Mitte des Anlaufbereichs aufgelegt werden. Uns wurde schnell klar, dass hier anscheinend andere Regeln gelten. Die Wiener wollten, dass die Kugel durch ihre versetzte Auflage schräg in den Kegelpulk einschlägt und sie konnten beweisen, dass diese Taktik tatsächlich zu sehr guten Ergebnissen führte, selbst wenn nicht jede Kugel perfekt die Gasse traf. Die Ergebnisse, die einige der Wiener erzielten, waren überragend. Ergebnisse zwischen 550 und 600 Holz waren normal, über 600 Holz nicht ungewöhnlich.

Das höchste Einzelergebnis bei diesem Turnier lag mit Stand zum 07.05.23 bei 710 Holz. Zum Vergleich: In Niederfrohna gelten 500 Holz und mehr als gut, 530 Holz als sehr gut und der Bahnrekord liegt bei 572 Holz. In Niederfrohna wird kein Gleitmittel auf die Kegel gemacht, kein Vierpass wird poliert und es sind keine federnden Prallwände verbaut. Niemand konnte abschätzen, ob wir die Vorteile der fremden Bahn ausnutzen könnten. Wir konnten es nicht. Die Ergebnisse hätten auch von unserer Heimbahn stammen können. Aus eigener Sicht gut bis befriedigend, aus der Sicht eines Wieners völlig unterdurchschnittlich. Einzig unser Sportfreund Sandy Rothe hatte mit 575 Holz ein Ergebnis erzielt, dass der Bahn gerecht wurde. Alle anderen mussten erkennen, dass die Bahn viel mehr hergibt, sofern man nur weiß, wie man das Potential nutzen kann.

Die Würfe müssen noch präziser werden, kleine Handfehler abstellen. Man muss sich daran gewöhnen, dass die Kugel vom Gleitmittel rutschiger ist. Man muss schneller erkennen, welche Spielweise zum besten Ergebnis führt. Wie läuft die Kugel über die Bahn? Welchen Einfluss haben Ablage und Abgabewinkel? Man hat deutlich gemerkt, dass die Wiener ihre Bahn kennen und wissen, wie man hohe Ergebnisse auf ihr spielt. Die Niederfrohnaer haben ihr schlechtes Abschneiden gelassen hingenommen, haben sich aber auch im Stillen gefragt, was die überragenden Wiener Spieler in Niederfrohna spielen würden. Einer der Wiener Spieler fragte den Sportfreund Maik Haberland nach dem Spiel nach seinem Ergebnis (525 Holz). Er schlussfolgert daraus: „Du kegelst wohl noch nicht lang.“ Die Ergebnisse unserer anderen Spieler lauteten: Denny Held 457 Holz, Peter Lindner 516 Holz, André Wiesner 437 Holz, Sebastian Franz 477 Holz, Harald Hübner 495 Holz; Reinhard Pilz war Unterstützung mit, kegelt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr.

Daher kegelte im 8. Wertungslauf für Niederfrohna erneut Denny Held in einem zweiten Durchgang mit einem Ergebnis von 491 Holz. Neben dem Spielbetrieb hatten sich Organisatoren des KSV noch ein paar nette Dinge einfallen lassen. Man konnte an einer Preislotterie teilnehmen, sich beim Tischkegeln versuchen oder am Glücksrad drehen. Dass das Glücksrad bei uns ständig auf „Schnapserl“ stehen blieb, war sicher nur Zufall. Für die Sportler wurde auch essen- und getränkeseitig bestens gesorgt. Die Schnitzelbrötchen waren hervorragend, so wie man es in Wien erwarten darf. Mit fortschreitender Spieldauer waren noch Sportler aus anderen Vereinen hinzugestoßen. So ergaben sich Gelegenheiten zum Kennenlernen und Austausch. Nach uns spielten zum Beispiel noch die Sportfreunde vom SKC Sonnensee Ritzing. Die Kegler vom Sportverein Jedesheim aus Illertissen bei Ulm hatten ihr Spiel erst am folgenden Tag, waren aber bereits angereist und direkt zur Kegelbahn gekommen. Es entwickelten sich nette Gespräche und wir wurden prompt zur Jubiläumsfeier im kommenden Jahr nach Illertissen eingeladen. Um 22 Uhr schließt in den Sommermonaten der Prater, da waren wir aber noch auf der Kegelbahn. Der Praterbesuch würde also erst am Samstag stattfinden. Das Kegelturnier, so hatten wir erfahren, wird alle 2 Jahre ausgetragen. So verabschiedeten wir uns mit dem Gedanken, an eine erneute Teilnahme.

Am Samstagvormittag ging es zuerst mit der U-Bahn auf den Naschmarkt. Er ist der größte Markt der Stadt und eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Er wurde direkt auf den Wienfluss gebaut, der hier unterirdisch verläuft. Die Menschenmassen schieben sich langsam zwischen den Ladenzeilen hindurch. Der Markt ist bunt, die angebotenen Waren appetitlich, die Fülle unüberschaubar. Obst und Gemüse, Trockenfrüchte und Süßigkeiten, Fleisch und Wurst, Fisch und Meeresfrüchte, Kräuter und Gewürze, Tee und Kaffee, verschiedenste Backwaren. An vielen Ständen bekommt man kleine Kostproben angeboten. Seit einigen Jahren erlaubt die Stadt den Gastronomiebetrieb in ehemaligen Verkaufsständen. Wir waren nicht zum Einkaufen gekommen, nur zum Schauen und zum Mittagessen. Unsere Wahl fiel auf ein Steakhaus. Und siehe da, die hatten auch Wiener Schnitzel.

Mehrere kurze Regengüsse hatten uns unbeeindruckt gelassen. Auf dem Naschmarkt sind nämlich alle Verkaufsstände und die Sitzbereiche der Gaststätten überdacht. Nachdem sich die Regenwolken verzogen hatten, ging es mit der Straßenbahn in den Prater. In Wien ist zu dieser Jahreszeit die Natur schon etwas weiter und die Bäume etwas grüner als in Niederfrohna. In den weitläufigen Parkanlagen muss man erstmal orientieren, um den richtigen Weg in den Volksprater zu finden. Dort wartet eine riesige Menge an Fahrgeschäften, Kabinetten, Attraktionen und Spielständen auf die Gäste. Wir sind natürlich auch mit dem Praterriesenrad, dem Wahrzeichen der Stadt Wien, gefahren. Als der stärkste Regenguss an diesem Tag samt Hagel niederging, hatten wir zum Glück ein Dach über dem Kopf, ein Bier vor uns und ein wenig Mitleid mit den Besuchern in der Achterbahn nebenan, deren Fahrt noch im Gange war. Hier ein Hinweis am Rande: Die „Schwarze Mamba“ fährt man besser mit leerem Magen. Was hat uns gefehlt? 1. Das typische Stück Sachertorte – Nicht so schlimm, denn 2 Stunden Wartezeit auf einen Tisch im Hotel Sacher sollen sich andere zumuten. 2. Ein gutes Bier – Die Biere, die man in Wien angeboten bekommt, sind nicht gerade der feuchte Traum eines Sachsen. Im besten Fall gibt es ein österreichisches Stiegl, Gösser oder Ottakringer, im schlechteren Fall gibt es ein bayrisches Bier. 3. Das perfekte Wiener Schnitzel – Zu klein/nicht knusprig/zu zäh, das perfekte Wiener Schnitzel aus unseren Erwartungen war leider nicht dabei. Und diese tollen Schnitzel auf der Kegelbahn? Die waren vom Schwein!

Am Sonntag ging es wieder nach Hause. Und nach langer Fahrt grüßte uns schon von weitem diese andere große Metropole. Die mit der großen bunten Esse, die fast schon den Weg weist: Nicht mehr weit, dann seid ihr zurück. Zurück in Niederfrohna!

Text: Maik Haberland

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